Schwächen als Stärken annehmen

Heute geht es um unsere Stärken und Schwächen. Weil sich oft hinter einer vermeintlichen Schwäche eine Stärke versteckt, geht es hier besonders darum, dass man Schwächen als Stärken annehmen kann.

Schon um 8 Uhr ist es draußen 18 Grad warm. Kein Wölkchen am Himmel, aber ein starker Wind.

Ich sitze auf dem Balkon, nachdem ich am Computer an zwei Artikeln kleine Verbesserungen durchgeführt habe:
1. Introvertierte und Bindungsangst
2. Hochsensibilität und Bindungsangst

Michael Lukas Moeller Rückblende: Vor vielen Jahren brachte ich in einem Gespräch mit Lukas Michael Moeller eine Enttäuschung zum Ausdruck: In unserer (von ihm betreuten) Vordiplomarbeit wurde deutlich, dass die Bewohner der (damals unter Studenten überall aus dem Boden sprießenden) Wohngemeinschaften überdurchschnittlich ängstlich und depressiv zu sein schienen. Die Auswertung von unseren Fragebögen schien zu bestätigen, was unsere Elterngeneration über unsere Unangepasstheit dachte.

Moeller sah das ganz anders. Seine Antwort, an deren genauen Wortlaut ich mich nicht mehr erinnern kann, machte deutlich, dass größere Ängstlichkeit und Depressivität nichts ist, weshalb man sich schämen müsste, im Gegenteil.

Damals konnte ich das nicht verstehen. Aber ich ahnte, dass er einen wichtigen Aspekt im Blick hatte. Seit kurzem wird mir mehr und mehr bewusst, dass nicht jede Abweichung vom Durchschnitt eines psychisch gesunden Menschen etwas Negatives sein muss.

Hochsensibilität und Introvertiertheit sind vermutlich Hinweise auf eine alte Seele. So sein zu wollen wie der Durchschnitt ist für eine reife oder alte Seele (in einer von jungen Seelen dominierten Gesellschaft) ein unerfüllbarer Wunsch. Der Weg zu einem erfüllten Leben kann nur bedeuten: Sich seines Anders-Seins bewusst zu werden und es zu akzeptieren.

Wenn man sich gegen sein Anders-Sein auflehnt, kann das nur eine Phase auf dem Weg zu sich selbst sein. Durch die Rebellion gegen das eigene Schicksal wird man sich nur noch bewusster, dass man anders ist als die meisten Menschen in unserer Gesellschaft.

Akzeptieren was ist

Nicht gegen Windmühlen kämpfen Erst wenn man die Realität, so wie sie ist, akzeptiert, kann man sie verändern. Akzeptieren was ist: Mit dieser Aussage soll also nicht einem Fatalismus Raum gegeben werden. Im Gegenteil: Je besser man Illusion und Wirklichkeit von einander unterscheiden kann, desto präziser kann man den wirkungsvollsten Ansatzpunkt für das eigene Wirken erkennen.

Natürlich kann man wie Don Quichotte gegen Windmühlen kämpfen. Doch wenn man erkennt, dass es keine Riesen mit feindlichen Absichten sind, dann kann man seine ritterlichen Energien auf lohnendere Ziele richten.

Mut wächst, wenn man vor seinen eigenen Ängsten nicht davonläuft. Es gibt zwei Arten von Ängsten:
1. Angst vor einer realen Gefahr in der Gegenwart oder der Zukunft.
2. Angst als Folge eines traumatischen Erlebnisses in der Vergangenheit.

Herr, gib mir die Gelassenheit, zu akzeptieren, was ich nicht ändern kann. Gib mir die Kraft zu ändern, was ich ändern kann. Und die Weisheit, das eine von dem anderen zu unterscheiden.

Jedem Politiker kann man nur wünschen, dass er Angst vor einem Atomkrieg hat. Die Gefahr ist real, auch wenn tröstlicherweise niemand sagen kann, ob es dazu kommen wird. Aber die Angst kann ein Stachel sein, der uns dazu antreibt, globale Konflikte konstruktiver als durch Krieg zu lösen.

Mut ist ein konstruktiver Umgang mit eigenen Ängsten

Vermutlich tauchen die beiden Arten von Ängsten selten in Reinform auf. So genau kann man reale Gefahren nicht von auf Grund von Traumatisierung imaginierten Gefahren trennen.

Wer Bindungsangst oder Angst vor Nähe hat, will sich vor Verletzungen schützen. Ja, je näher man einen anderen Menschen an sich heranlässt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man verletzt und enttäuscht wird. Aber wenn man sich ängstlich vor jeder Gefahr, verletzt zu werden, schützt, dann wird die Angst immer größer.

Wie kommt man aus diesem Dilemma heraus?
Zwei sich gegenseitig ergänzende Komponenten sind hilfreich:
– alte Verletzungen verarbeiten
– kleinere Schritte machen

Wenn die Blockaden im Feinstoffkörper, die durch alte Verletzungen entstanden sind, aufgelöst werden, tritt eine Entspannung ein. Die Angst vor neuen Verletzungen wird geringer: Man wird durch zunehmende Nähe nicht mehr so stark getriggert.

Und wenn man kleinere Schritte macht, verringert sich das Risiko für neue Verletzungen. Die Alternative ist nicht: Keine Beziehung oder eine (zu) enge Beziehung, sondern eine langsame Annäherung. Jede Phase der Annäherung kann gewürdigt und genossen werden. Je sensibler man ist, desto mehr tut einem Langsamkeit gut. Schwächen als Stärken annehmen. Glück ist Annehmen was ist – und erkennen, dass es gut ist. Diese Erkenntnis kann man sich nicht verordnen, aber man kann schon mal bei sich selbst anfangen.

Angst ist keine Schwäche sondern eine Aufgabe

Ängste kann man verleugnen oder verdrängen. Natürlich kann man seine eigenen Ängste als Schwächen ablehnen. Oder wie andere Schwächen als Stärken annehmen. Jemand der zurückhaltend ist und Angst hat sich zu zeigen, kann sich natürlich dazu zwingen “aus sich herauszugehen”. Besser wäre es, sich nicht zu überfordern, sondern seine spezifische Angst mit einem Lächeln anzunehmen.

Ängste werden größer, wenn man vor ihnen wegläuft. Sich der eigenen Angst zu stellen, sie wahrzunehmen, heilt. Man kann etwas nur dann wahrnehmen, wenn man eine gewisse Distanz zum Objekt der Wahrnehmung einnimmt. Wenn ich mich so wegen meiner Angst schäme, dass sich sie verstecke und mit niemandem darüber rede, dann kann ich kein realistisches Bild von ihr bekommen. Deshalb ist das sich Hilfe holen, wenn man allein nicht weiterkommt, keine Schwäche sondern eine Stärke.

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