Immer wieder kommen Menschen mit Bindungsangst in meine Praxis, weil sie mit ihrem Partner nach einigen Monaten keinen Sex mehr haben wollen. Einer meiner ersten Klienten hatte beobachtet, dass alle seine Beziehungen im Laufe seines Lebens nach dem gleichen Muster abliefen: In den ersten drei Monaten war da das Gefühl, endlich die Frau fürs Leben gefunden zu haben. Danach ließ die Leidenschaft nach. Aus der Beziehung wurde eine Freundschaft. Man fand sich nach wie vor sympathisch, aber Sex war nicht mehr möglich. Zufall – oder was steckt dahinter, wenn trotz zunehmender Vertrautheit kein Bedürfnis nach Sex mehr da ist oder gar ein Widerwille gegen Sex entsteht?
Trauma als Ursache für ambivalente Gefühle
In dem oben angedeuteten Fall hatte der Klient, der als Künstler in Berlin tätig war, zunächst angenommen, dass er die Richtige nur noch nicht gefunden hatte. Doch nachdem es ihm im Laufe der Jahre das vierte Mal passiert war, machte sich eine Art Verzweiflung breit. Es hatte schon Züge von Burnout, denn neben den privaten Enttäuschungen mit heftigem Trennungsschmerz kam es jetzt auch zu einer beruflichen Schaffenskrise.
Was stimmt bei mir nicht? Mit diesem Gedanken wandte er sich an mich. Nach einigem Nachforschen stellte sich heraus, dass seine Pubertät alles andere als glatt verlaufen war. Als er zwölf Jahre alt war, wurde bei seinem Vater Krebs diagnostiziert. Von da an kümmerte sich seine Mutter nur noch um den Vater. Der Klient beschrieb die folgenden Jahre (der Vater verstarb nach schwerer Krankheit vier Jahre später) als eine Phase “sozialer Verwahrlosung”. Der einzige Halt war seine vier Jahre ältere Schwester, die sich um ihn kümmerte. Seine Mutter war nur noch für den Vater da.
In der Feinstofftherapie zeigte sich dann, dass immer noch eine sehr enge feinstoffliche Verbindung zu seiner Schwester bestand. Sobald in einer neuen Beziehung die Vertrautheit zunahm, konnte er in den Frauen nicht mehr die Geliebte, sondern nur die Schwester sehen. Nachdem die feinstoffliche Verbindung in der Therapie aufgelöst werden konnte, war er wie befreit. Das Muster, das wie ein Fluch eine glückliche und erfüllte Beziehung zu verhindern schien, hatte sich aufgelöst und “die Dinge waren auf einem guten Weg”.
Angst vor Nähe und Abneigung gegen Sex
Keine Lust auf Sex kann viele Gründe haben, aber eben auch ein Symptom für Bindungsangst sein. Man kann also nicht sagen, dass Bindungsangst und Widerwillen gegen Sex immer zusammen auftreten. Gerade am Anfang einer Beziehung sind Bindungsängstliche oft sehr verliebt und können Sex auch genießen. Doch wenn dann die Nähe wächst, man sich immer mehr für den Partner öffnet, zeigt sich die Bindungsangst.
Gerade in einer Zeit wie heute, wo alle möglichen Spielarten des sexuellen Erlebens gesellschaftlich akzeptiert sind, kann es sehr bedrohlich erlebt werden, wenn man keine Lust hat oder sogar Angst vor Sex hat. Eine wichtige Frage, die Sie sich stellen sollten: Kann ich über meine Bedürfnisse und meine Gefühle mit meinem Partner reden? Wenn Sie erleben, dass Sie das nicht können, dann ist in der Regel Angst die Ursache dafür.
Es muss nicht immer Bindungsangst sein. Vielleicht ist es nicht die Angst vor Nähe, sondern die Angst davor, dass man nicht attraktiv genug aussieht. Oder dass man Angst davor hat, zurückgewiesen oder verletzt zu werden. Mit zunehmender Vertrautheit in einer Beziehung wird es möglich, sich zu zeigen. Auch in seiner Verletzlichkeit zu zeigen.
Natürlich ist es nicht sinnvoll schon beim ersten Date alle Verletzungen und Ängste anzusprechen. Doch mit zunehmendem Vertrauen, kann man sich mehr zeigen. In dem Buch berühmten Buch “Die Wahrheit beginnt zu zweit” beschreibt der Autor Michael Lukas Moeller, dass Liebe vom Gespräch lebt. Dass Gespräche in einer Beziehung oft in hässlichen Streit abgleiten, passiert sehr oft. Der Grund ist eine mangelnde Gesprächskultur. Wenn man die Grundsätze der gewaltfreien Kommunikation beachtet, dann kann man destruktiven Streit vermeiden; man wird feststellen, dass die Beziehung in dem Maße an Tiefe gewinnt, wie man über seine wahren Gefühle spricht. Sich zeigen ist ein wichtiger Aspekt der Erotik. Alles, was man in den Gesprächen mit dem Partner ausklammert, wirkt wie ein Elefant im Raum: Je mehr man versucht, ihn zu ignorieren, desto mehr drängt er sich auf. Wenn man über das, was einen wirklich bewegt, nicht mehr reden kann, dann ist das ein Alarmsignal.
Missbrauch als Ursache für Widerwillen gegen Sex
Eine Klientin hatte schon alle möglichen Therapien ausprobiert. Auch sie hatte ein Muster in ihren Beziehungen entdeckt. Nach ungefähr fünf Monaten entwickelte sie in jeder Beziehung übertriebene Verlustängste. Sie war nur noch genervt und nicht mehr sie selbst. Weil sie es nicht mehr aushielt, beendete sie die Beziehung. Nach der Trennung war sie von Trennungsschmerzen überwältigt und es dauerte Monate bis sie diese Phase überwunden hatte. Doch danach ging es ihr als Single richtig gut. Bis sie dann nach einiger Zeit eine neue Beziehung einging. Die ersten Monate sind toll, liebevoller Sex und alles ist in Ordnung. Doch dann wachsen die Verlustängste, die Angst den Partner wieder zu verlieren. Sie fühlt sich nicht mehr bei sich, sie reagierte zunehmend gereizt. Der einzige Ausweg scheint die Beendigung der Beziehung zu sein. Und nach einer Trennung beginnt die Tragödie von vorne.
Selbstzweifel nagten an ihr. Woher kommen die übertriebenen Verlustängste? Obwohl ich eigentlich Sex mag: Warum klappt das nur in den ersten Monaten? War etwas Traumatisches in den Beziehungen passiert? Die Klientin erinnert sich an ein Erlebnis als ihr letzter Freund nach einer längeren beruflichen Auslandsreise zurückgekommen war.
Das Paar an dem Abend auf einer Feier gewesen und sie hatte dort ziemlich viel getrunken. Danach war sie zu müde, um auf seine Wünsche nach Sex eingehen zu können. Er hatte sich so darauf gefreut und war entsprechend enttäuscht. Laut schimpfend zog er aus dem Schlafzimmer ins Wohnzimmer um. Und dieses Laut-werden löste bei der Klientin eine regelrechte Panik aus. Obwohl sich ihr Freund später bei ihr entschuldigte: Dieses Erlebnis war noch sehr lebendig und belastete die Beziehung weiter. Durch die Bearbeitung dieses Themas in der Feinstofftherapie fühlte sich die Klientin drei Tage besser, doch dann warf sie irgendetwas wieder aus der Bahn. Offenbar waren wir auf der richtigen Spur, aber es gab noch tieferliegende feinstoffliche Verletzungen, die mit dem Thema verbunden waren.
Weitere Forschungen nach Schock-Erlebnissen in der Vergangenheit brachten ein Erlebnis in der Kindheit zu Tage. Als 7-jährige hatte sie nachts oft Angst und freute sich, zu ihrem sechs Jahre älteren Bruder ins Bett schlüpfen zu können. Die körperliche Nähe beruhigte sie. Doch dann, eines nachts befriedigte sich der Bruder neben ihr liegend selbst. Sie verstand nicht, was da vor sich ging und war vor Schock wie erstarrt. Doch das Schlimmste war: Als sie am nächsten Morgen zum Frühstück kam, behandelte sie ihr Bruder wie Luft. Er schaute sie nicht einmal an und ignorierte sie vollkommen.
In der Feinstofftherapie konnte die mit diesem Schock-Erlebnis verbunden Blockade im Feinstoffkörper aufgelöst werden. In den nächsten Tagen erlebte sie einen starken Zuwachs an Energie. Ihre Ausstrahlung veränderte sich und das bemerkten auch die Menschen in ihrem privaten und beruflichen Umfeld.
Dieser Fall zeigt sehr deutlich, dass Gefühle nicht irrational sind. Vielleicht war der Schock in der Nacht insgesamt in seinen Auswirkungen nicht so gravierend wie die Nicht-Kommunikation und abweisende Haltung des Bruders am nächsten Tag. Unbewusst konnte sich so der Glaubenssatz bilden: Wenn man mit Männern keinen Sex möchte, dann werden sie sauer und wollen nichts mehr von einem wissen. Dann ist es doch besser, sich nicht auf eine Bindung einzulassen, dann muss man keine Angst davor haben, verlassen zu werden.
Sex vermeiden als Selbstschutz
Besonders sensible Menschen erleben Emotionen sehr intensiv. Wenn sie sich einem Partner beim Sex öffnen, dann sind sie besonders verletzlich. Sie brauchen eine schützende Atmosphäre, die es ihnen ermöglicht sich fallen zu lassen. Unbezogener Sex, das Gefühl vom Partner nicht wirklich wahrgenommen zu werden, kann wie ein Schock wirken. Die Enttäuschungen und Verletzungen, die man in einer früheren Beziehung erlebt hat, kann die Angst vor Nähe oder vor einer neuen Beziehung fördern. Bindungsangst ist so eine Art Selbstschutz: Am besten ich setze mich der Gefahr, erneut verletzt zu werden, gar nicht mehr aus.
Ein wenig liebevoller und empathischer Partner wird mit Unverständnis reagieren und eine beginnende Beziehung sofort wieder beenden. Allen anderen kann man nur raten, sich in einer Phase, in der trotz Zuneigung Sex nicht möglich ist, behutsam darüber zu reden. Gewaltfreie Kommunikation bedeutet, dass man respektiert, wie der andere sich fühlt. Dass man keine Vorwürfe macht, sondern über die eigene Verletzlichkeit spricht. Natürlich kann es passieren, dass man sich abgelehnt fühlt, wenn der Partner keine Intimität will. Die Situation ist für beide eine Herausforderung. Beide sehnen sich nach Respekt und wollen so angenommen werden, wie sie sind. Wie sie sind, und nicht wie sie der Partner gerne hätte. Doch die Erfahrung zeigt, dass eine Beziehung mit dem meistern einer Herausforderung wachsen kann. Wenn das Vermeiden von Sex als ein Selbstschutz verstanden wird, dann kann man sich gemeinsam darum bemühen, eine sichere Umgebung zu schaffen. Wo die Angst ist, ist der Weg. Wenn man Angst als die Folge von alten Verletzungen sieht, kann ein vertrauensvolles Gespräch dazu beitragen, dass die Verletzung heilen kann.
Bei Missbrauch ist nicht entscheidend, was Schlimmes passiert ist, sondern wie es verarbeitet werden konnte
Bei Missbrauch ist oft nicht das entscheidend, was tatsächlich passiert ist, sondern wie es verarbeitet werden konnte. Wenn der Bruder sie am nächsten Morgen nicht durch Nicht-Achtung gestraft hätte, wäre der Schock vermutlich schneller und besser verarbeitet worden. So erlitt das Kind nicht nur das schockierende Erlebnis in der Nacht, sondern auch den Verlust des liebevollen Verhältnisses zu ihrem Bruder. Beides wurde zusammen erst zu einem toxischen Cocktail, der nicht verarbeitet werden konnte. Doch jedes verdrängte Trauma möchte geheilt werden und taucht immer wieder auf. Das Muster, das die Klientin immer wieder in ihren Beziehungen erlebte, war: Die liebevolle Beziehung zu einem vertrauten Menschen kann “über Nacht” zerstört werden, wenn man nicht “mitmacht”.
Bei einer anderen jungen Frau, die wegen Ängsten in die Praxis gekommen war, hatte es mit 8 Jahren einen Missbrauch durch den Vater des damaligen Lebensgefährten der Mutter gegeben.
Die Klientin vermutete, dass die aktuellen Ängste mit dem Trauma zusammenhingen, das sie mit 8 Jahren erlitten hatte. In der Feinstofftherapie stellte sich aber heraus, dass dieses Thema längst verarbeitet war. Die Ängste hatten eine andere Ursache. Warum war das Trauma längst verheilt? Darüber kann man nur spekulieren. Aber es gäbe eine plausible Erklärung: Das Kind hatte der Mutter schon am nächsten Tag nach dem verstörenden Vorfall davon erzählt. Daraufhin konfrontierte die Mutter ihren Lebensgefährten: “Was macht Dein Vater da?” Als der dann nach dem Motto “Du weißt doch, was Kinder sich alles einbilden können” beschwichtigen wollte, zog die Mutter die Konsequenz. Sie packte ihre Koffer und zog noch am gleichen Tag mit ihrem Kind aus. Vermutlich hat das Kind dann eine Zeit lang Albträume gehabt. Aber die Tatsache, dass sie so viel Vertrauen zu ihrer Mutter hatte, dass Sie sich ihr anvertrauen konnte und die Mutter auf ihrer Seite stand, bot günstige Bedingungen für eine Verarbeitung.
In einem anderen Fall war sehr viel weniger passiert, trotzdem war das Erlebnis auch nach Jahrzehnten noch im Feinstoffkörper als Blockade spürbar. Ein 12-jähriges Mädchen war auf dem Weg nach Hause von einem jungen Mann verfolgt worden. Sie lief immer schneller und schaffte es rechtzeitig in das Mietshaus, in dem das Mädchen und ihre Eltern wohnten. Das Mädchen war also mit dem Schrecken davongekommen. Zwar hatte sie sich im Treppenhaus auf dem Weg nach oben bei hastigen Laufen ein Knie aufgeschlagen, aber sonst war ihr äußerlich nichts geschehen. Als ich die Person, die mir das mit dem Abstand von mehr als 20 Jahren erzählt hat, fragte, ob sie mit Ihren Eltern über dieses Erlebnis gesprochen hatte, antwortete sie: “Nein. Ich hatte nicht das Vertrauen zu ihnen.” Obwohl es hier vordergründig sehr viel weniger passiert war als im zuvor geschilderten Fall von Missbrauch, waren die Folgen immer noch spürbar. Die Bedingungen für eine schnelle Verarbeitung waren hier sehr viel schlechter. Das erschreckende Ereignis wurde als so peinlich erlebt, dass das Mädchen es für sich behalten musste. Der Unterschied zwischen den beiden Fällen macht drastisch sichtbar, dass die Fakten letztlich weniger wichtig sind, als die Art, wie sie erlebt und verarbeitet werden können.
Seelischer Missbrauch ist oft ähnlich traumatisierend
Missbrauch kommt in jeder Gesellschaftsschicht vor. Bildung und Kultur im Elternhaus schützen Kinder nur bedingt vor Gewalt. Oft ist die Gewalt subtiler. Wenn der Vater sich bei den Töchtern beklagt, dass die Mutter kein Verständnis für ihn hat; und wenn er sich von einer Tochter massieren lässt; und dann lobt, dass sie es viel besser mache als die Mutter: Dann werden weder Jugendamt noch Staatsanwalt einen Anlass sehen, einzuschreiten. Aber die Wirkung kann trotzdem ähnlich sein wie bei einem körperlichen Missbrauch. Wenn es zwischen Mutter und Vater keine liebevolle Sexualität gibt, dann bekommen das die Kinder so oder so mit. Man muss nicht mit allem, was Sigmund Freud sagt, einverstanden sein, aber eigene Schwierigkeiten in Beziehungen haben ihre Ursache oft in den unbewussten Prägungen, die wir von den Eltern übernommen haben. Kein Bedürfnis nach Sex kann also hier schon vorgeprägt worden sein.
Bindungsangst, Verlustangst, emotionale Abhängigkeit von Narzissten und viele andere Probleme sind schon in der Kindheit entstanden. Sie prägen uns und führen zu Blockaden im Feinstoffkörper. Durch eine Feinstofftherapie können die Blockaden gelöst werden und damit kann die Grundlage für eine erfüllte Beziehung gelegt werden.